DIY mit Kleinanzeigen
Ich baue ein Retro Singlespeed-Bike mit eBay-Kleinanzeigen
Ein Singlespped-Bike selber bauen
Irgendwie bin ich auf den Trichter gekommen, dass so ein Singlespeed / Fixie ganz nice ist. Jetzt gibt es natürlich unzählige verschiedene Ausführungen, die nur eines gemeinsam haben - einen Gang. Entweder im Freilauf als Singlespeed oder mit starrem Gang (Fixed Gear), welche von den Pros gern auch brakeless - also ohne Bremsen - gefahren werden und so nicht in Deutschland auf die Straße dürfen.
Bei neuen Singlespeeds sind die meisten Unterschiede in der Bauform und der Materialart zu finden. Aero-Rahmen sind stromlinienförmig und meist aus leichtem aber starrem Aluminium. Günstige Modelle sind aus Hi-Ten-Stahl. Dieser ist schwerer als Chrom-Molybdän-Stahl, welcher bei den höherpreisigen Singlespeeds zum Einsatz kommt. Stahlrahmen haben den Vorteil, dass sie zum einen flexibler sind als Alu-Rahmen und zum anderen den Vorteil, dass sie nicht brechen können und sich schweißen lassen, sollte mal ein Riß im Material auftreten.Bei meinem Selbstbau-Projekt hatte ich leider keinerlei Vorkenntnisse und mich nur auf den Preis als Suchfaktor eingelassen. Also ging das ganze los mit einem Stahlrahmen aus den 70er oder 80er Jahren. Für den Rahmen von Panther hab ich 10 Euro bezahlt und damit eine Basis gehabt, aus der sich hoffentlich ein stadttaugliches Spaßbike basteln lässt.
Step 1 - Stripping the Frame
Zunächst einmal habe ich alle Anbauteile entfernt. Lampe, Gepäckträger und Schutzbleche wurden direkt entsorgt, der Rest des Rades wurde auseinandergenommen und gereinigt. Kurbelarme entfernen und Tretlager ausbauen. Klingt einfach, wenn man weiss was man tut. Die Kurbelarme waren mit Keilen an der Lagerwelle befestigt. Es war ein altes Thun-Keillager verbaut, das dem klassischen Thompson-Keillager stark ähnelt. Um die Kurbelarme zu entfernen muss der Keil vollständig entfernt werden. Manchmal gehts es besser, manchmal schlechter. In meinem Fall zum Glück sehr easy. Auch das Lager ausbauen und reinigen war problemlos.Das alte Kettenblatt hat mich fasziniert, das wollte ich unbedingt verwenden. Mit etwas feiner Stahlwolle lassen sich Rost hartnäckiger Schmutz sehr gut entfernen. Auch die Kurbelarme sehen nach der Behandlung um Jahre frischer aus. Bis jetzt läuft alles nach Plan... noch.
Was noch weg muss ist natürlich der Lenker. Riser oder Flatbar gern, aber nicht so ein 80er-Jahre Gesundheitslenker. Und da waren sie auch schon, die ersten Probleme.Um einen Lenker zu demontieren sollte man die Kopfschraube etwas lösen und mit einem leichten Schlag nach unten bringen. Dadurch wird der Konter-Konus gelöst und der Lenker lässt sich herausdrehen. Was man nicht tun sollte, ist die Kopfschraube komplett rausdrehen und den Lenker abzunehmen, sodass die Lenkstange immer noch in der Gabel festsitzt und sich nicht mehr greifen lässt.
Ich stand nun da, mit einer Gabel, in der eine Lenkstange festgesifft war und die mir keine große Angriffsfläche bot, um mit Werkzeug etwas Bewegung reinzubringen. Meine Variante war dann, die Gabel mit der Lenkstange kopfüber für 1-2 Tage in Cola einweichen zu lassen, damit der Rost sich löst und im Nachgang mit Kriechöl (WD-40 Spray) eine Gleitschicht zu schaffen, die mir hilft, die Lenkstange zu entfernen.
So war zumindest der Plan. Spoiler: Es hat nicht geklappt. Ich habe mir vorsichtshalber für 6 Euro bei eBay-Kleinazeigen eine weitere Gabel zugelegt.
Step 2 - Build from the scratch
OK, Rahmen, Gabel und alle noch benötigten Teile sind gereinigt und können zusammengebaut werden. Gabel in den Rahmen, Tretlager wieder zusammensetzen, Lenker, Räder, Sattel, Bremsen...Räder. Nehmen wir einfach mal was günstiges und holen uns ne 5 Euro Felge von eBay-Kleinanzeigen. 26 Zoll, Vorderrad. Und zack... passt nicht. Also nicht nur, dass die 26 Zoll verdammt klein aussehen in diesem Rahmen, nein auch die Achse passt nicht. Die Gabel hat ein Achsmaß von 9mm, die Felge ist mit 9,5mm nicht kompatibel. Und ganz überraschend hat die zweite Felge - eine 28 Zoll Alufelge zu 6 Euro ebenfalls dieses merkwürdige Maß.
Ich entscheide mich zueinem Kompromiss und unterstütze damit den kleinen Fahrradladen um die Ecke. Dort kaufe ich einen Satz Hohlkammerfelgen in 28 Zoll mit Flip-Flop-Nabe am Hinterrad, um zwischen fixed und Freilauf wählen zu können. Waren die anfänglichen Ausgaben noch überschaubar, kommt hier mit 200 Euro für die beiden Felgen schon mal ein großes Aua im Geldbeutel.
Und als wäre das alles noch nicht genug, kommt auch hier wieder das Achsmaß in die Quere. Etwas genervt gehts ab in den Baumarkt. Ein 10er Metallbohrer wird das direkt mit der Gabel klären. Im Anschluss daran ist sie dann auch aufnahmebereit.
Step 3 - like a bike
Jetzt aber. Die Räder passen. Das Felgenband wurde im Laden bereits aufgezogen und in der Post war meine Bestellung mit den Schwalbe-Schläuchen und den 28mm schlanken Schwalbe Lugano 2 Reifen. In der Zwischenzeit habe ich mir einen Lenkervorbau besorgt und einen Flatbar. Nachdem die Schläuche und Reifen auf den Felgen sitzen, sieht das ganze einem Fahrrad schon erstaunlich ähnlich.Was jetzt noch fehlt sind Sattelstange und Sattel, Bremsgriffe, Bremsleitungen, Bremskörper und eine Kette. Alles Dinge, die sich bei Kleinazeigen schwer finden lassen. Vor allem wenn man bedenkt, wie viele verschiedenen "Standards" es allein beim Durchmesser von Sattelstangen gibt und wie viele Anbieter diesen Durchmesser kennen und in den Kleinanzeigen mit angeben. Das führt dann also dazu, dass die Teile nicht wie angedacht von den Kleinanzeigenanbietern besorgt werden sondern neu von Händler. Und das geht dann wieder ins Geld.
Sattelstange: 13 Euro, Sattel: 30 Euro, Bremsgriffe inkl. Bremsleitungen: 32 Euro, Bremskörper: 30 Euro, Kette: 9 Euro und ein Satz Pedale in Rahmenfarbe zu 12 Euro.
Ein paar Tage später ist meine Bestellung eingetroffen und de Summe der Teile geht in die Gesamtkalkulation ein. Bereits jetzt ist klar, das ist kein Schnäppchen-Bike, aber ein Unikat, von mir selbst zusammengestellt und zusammengebaut. Sowas gibts nicht für Geld zu kaufen.
Auf die Bremsen bin ich besonders stolz. Schöne Rennradbremsen von Miché mit 53mm Armlänge. Da das Fahrrad ursprünglich mit 26er Rädern gedacht und konzipiert wurde, habe ich für die alten Felgenbremsen leider keine Verwendung mehr. Der größere Felgenradius lässt die gesamte Konstruktion kompakter aussehen, fordert aber auch seinen Tribut. Das Hinterrad kann ich nicht ein- oder ausbauen, solange sich Luft im Reifen befindet. Aber egal, jetzt geht es um die Bremsen und tadaa... Wieder ein unerwartetes Hindernis. Die Schraube zur Befestigung des Bremskörpers an der Vorderradgabel ist zu kurz. Sie ragt nicht einmal auf der anderen Seite der Gabel hinaus. Um die Mutter dennoch ansetzen und damit die Bremse fixieren zu können kommt mir mein guter Freund, der 10er Stahlbohrer zuhilfe. Auf der Rückseite der Gabel wird das Loch zur Befestigung der Bremse aufgebohrt. Die Stiftmutter ragt nun in die Gabel hinein, greift das Gewinde der Fixierschraube und die Bremse kann festgezurrt werden.
Step 3 - auf der Zielgeraden
Ich hab jetzt fast alles beisammen. Es fehlt nur noch die Kette, die ich in Ermangelung von passendem Werkzeug lieber von einem Fachmann aufziehen lasse und ich muss noch die Kurbeln wieder befestigen. Wir erinnern uns: Keilllager. Das heisst also Kurbelarme, die mit Kurbelkeilen befestigt werden.Ich habe die spaßeshalber schon mal eingesetzt und teste gerade, wie fest die Kurbeln sitzen. Voilá - sie haben Spiel. Das sollte zwar nicht passieren, aber die Kurbelkeile haben ja ein Schraubgewinde am Ende. Wer kennt ihn nicht, den berühmten Satz: "Nach fest kommt locker, nach locker kommt ab." Und wie sollte es anders sein, das Gewinde ist nicht dazu gedacht, die Keile festzuziehen sondern nur zum kontern. Es soll verhindern, dass die vorher mit einem Hammer eingepassten Keile nachher wieder ihre Position verändern.
Ausgestattet mit dieser Information kann ich das Aufziehen der Kette ersteinmal verschieben, bis die Kurbel fest sitzt.
Und bereits im vierten Fahrradladen werde ich fündig. Es gibt Kurbelkeile für einen Euro pro Stück.
Bei Amazon hätte ich etwas über 4 Euro bezahlen müssen.
Freudestrahlend setze ich die Kurbelkeile mit 9,5mm Durchmesser in die 9,5mm große Öffnung des Kurbelarms ein, um diesen an der Welle des Kurbellagers zu fixieren.
Und natürlich passt es nicht.
Die Ursache dafür? Der Kurbelkeil ist ganz locker eingesetzt und schon jetzt ist das Gewinde viel zu kurz, um noch irgendetwas zu fixieren.
Und dabei hatte ich aufgrund der abgenudelten Kurbelwelle sogar extra ein "neues" Keillager bei eBay bestellt. 12 weitere Euro für die Katz.
Irgendwie steckt gerade der Teufel im Detail.
Verzweiflung und Frustration werden Verbündete und treiben mich wie einen geprügelten Hund zur Fahrradwerkstatt um die Ecke.
Mit einem freundlichen "Tachchen, icke bins. Ick hab da n Problemchen mit mein Keillager" versuche ich den Chefkoch auf das bevorstehende Unheil einzustimmen.
Noch bevor ich weitersprechen kann kommt ein flottes "Keillager? Nee. Machen wa nich. Ick bau sowat nich ein."
Im zweiten Fahrradladen lässt man mich zumindest noch ausreden bevor man es mir ausredet. "69mm Lager mit ne 143er Welle? Dit passt doch ooch mit die Kettenline janich."
Kurze Wege, lange hin. Es wird ein Vierkantlager gekauft, da passt aber das alte Kettenblatt nicht drauf - weil ist ja für Kurbellager.
Und deswegen gleich noch ne Kurbelgarnitur on top. Schlanke 50 Öcken, aber dafür zieht man mir gleich die Kette mit auf und baut auch meine farblich abgestimmten Pedale mit an.
Fazit - billig kann auch teuer sein
Mein billiges Singlespeed-Projekt mit Eigenleistung hat mich mal eben ca. 450 Euro nur an Teilen und fremder Arbeitsleistung gekostet. Dazu kommen Stunden von eigener Arbeitszeit sowie Kosten für fehlende Werkzeuge wie etwa 15er Schlüssel, 10er Bohrer, Rollgabelschlüssel (Franzose), Meßschieber und etwas Material wie Fett, Waschbenzin, Stahlwolle und Cola.Ob ich es nochmal machen würde? Vielleicht. Es hat definitiv Spaß gemacht, aber war halt auch teuer - Spaß kostet. Für das Geld hätte man auch ganz unkompliziert ein gutes Fixie oder Singlespeed bestellen können und den Rahmen entlacken und pulvern zu lassen habe ich mir inzwischen aus dem Kopf geschlagen.
Falls jemand mit dem Gedanken spielt, sich ein Eingangrad zuzulegen, dabei auf die wertvollen Erfahrung, welche mir zuteil wurden, verzichten möchte...
Hier ist ein Vergleich verschiedener Modelle im Checkout